Generation Y, demographischer Wandel und der generelle Trend
zur „Work-Life Balance“ scheinen dunkle Wolken über die Zukunft des
Industriestandortes Deutschland zu wehen.Die Personalabteilungen stehen zunehmend unter Druck, andere
Wege für Personalrekrutierung und Karrieren im Unternehmen zu schaffen, um für
die neue, selbstbewusste Generation von Bewerbern attraktiv zu bleiben oder es
überhaupt erst einmal wieder zu werden. Gestern reichte es noch aus, zu den
Blue Chip Unternehmen zu gehören, steile Karrieren und Dienstfahrzeuge
anzubieten. Heute liegt teilweise gar nicht mehr im Trend, was Bewerber in
früheren Zeiten überzeugen konnte, beschreibt
Julia Löhr (Redakteurin im Bereich Wirtschaft der FAZ) in ihren Artikeln
„Die
Generation Y fordert die Personalchefs heraus“ und
„Generation
Y: Freizeit als Statussymbol“ plakativ.
So weit so gut. Im zweiten Teil des Berichts tauchen dann doch schon einmal
erste Zweifel auf, ob diese Trends so unantastbar sind wie dargestellt: „Noch
ist der Wandel eher gefühlt.“ Und „Kürzere Arbeitsverhältnisse.“
Freizeitorientierter als frühere Generationen ist die Generation Y definitiv,
aber gibt es ansonsten wirklich wissenschaftlich unterlegbare, grundlegende
Unterschiede in der Werte Einstellung der Generationen? Zumindest die
„Inflation der Lebensläufe“, jeder Lebenslauf heute standardmäßig gespickt mit
diversen Auslandsstationen und reihenweise Praktika, deutet nicht unbedingt auf
geringen Ehrgeiz und sinkende Einsatzbereitschaft der Arbeitnehmer der neuen
Generation hin. Einmal kurz den Blick aus der anderen Perspektive eingestreut…:
Fühlt sich heute vielleicht auch jeder angehende Akademiker gezwungen, seine
Talente in solch vielfältiger Weise nachweisen zu müssen, um überhaupt die
Chance auf den angestrebten Berufseinstieg zu erhalten?
Das ist nun die eine Seite der Entwicklung. Betrachtet man
nur diese, so könnte beim Betrachter der Eindruck erweckt werden, dass der
Bewerber auf paradiesische Arbeitsmarktzustände trifft, er sich quasi nur die
Trauben in den Mund zu wachsen lassen muss ohne zu beruflichen Höchstleistungen
motiviert und qualifiziert zu sein und der Arbeitgeber alternativlos darauf
angewiesen ist „große Pakete für kleine Leistung“ zu schnüren.
Das wiederum sehe ich aufgrund meiner Erfahrungen durch
meine Tätigkeit als Personalberater vollkommen anders. Zunächst einmal ist der
Wandel, die Weiterentwicklung und Veränderung auf jedem Gebiet des Universums
eine feste Größe, die als normal und nicht als störend betrachtet werden muss.
Schon auf Heraklit von Ephesus (vorsokratischer Philosoph aus Ephesus ca. 540 –
480 v. Christi) geht das Zitat „Nichts ist so beständig wie der Wandel.“ zurück,
der diese Erkenntnis anscheinend bereits vor 2 ½ Tausend Jahren gehabt hat.
Die gesamte Arbeitswelt hat sich im Laufe der letzten
Jahrzehnte durch Industrialisierung, Automatisierung, technologischen
Fortschritt und Globalisierung stark verändert. Einstmals gefragte
Qualifikationen spielen heute keine Rolle mehr. Informationsbeschaffung und
deren Reproduktion waren in der Generation X noch von zentraler Bedeutung. Der
Generation Y entlockt die Vorstellung einer internet-, smartphone- und social networkfreien
Umwelt bestenfalls noch ein mitleidiges Lächeln.
Während also die Personalabteilungen während der letzten
Jahrzehnte ohne große Konkurrenz untereinander arbeiten konnten und aus einer
recht bequemen Position heraus Herrscher über Fluten von Bewerberunterlagen
waren, ist nun ein zunächst sicher unbequemes Umdenken erforderlich. Die
Machtverhältnisse haben sich insofern geändert, dass man sich jetzt auf
Augenhöhe mit dem Bewerber befindet und mehr über die Attraktivität des
angebotenen Arbeitsplatzes und der zugehörigen Leistungen nachdenken muss. Es
gibt also die Erforderlichkeit, eine bessere Anpassung von Karrierewegen und
Positionen an die heute aktuellen Wünsche der Bewerber/ die aktuelle
Arbeitsmarktsituation vorzunehmen.
"Gentlemen we have
to manage change, if we fail we have to change management." (Masaaki
Imai)
Dass allerdings eine fraglose Akzeptanz aller möglichen,
illusionären Vorstellungen von Bewerbern erforderlich ist, sehe ich nicht so. Vor Kurzem hatte ich einen Kandidaten für ein laufendes Mandat in einer
technologisch fortschrittlichen Branche. Der Bewerber befand sich auf Weltreise
und hatte sehr konkrete Vorstellungen über Termin und Form eines Interviews auf
die das Unternehmen sich auch einließ. Als die Forderungen seitens des
Bewerbers weiter erhöht wurden (man möge ihm aus Kostengründen eine
Einwahlnummer zur Verfügung stellen) reagierte mein Mandant mit Unverständnis,
der Kandidat aber mit der Erkenntnis, dass sein Auftritt doch von übertriebenem
Selbstbewusstsein geprägt gewesen sein könnte.
Insofern – wie meist – liegt die Wahrheit wohl irgendwo in
der Mitte…, bzw. Unternehmen und Bewerber müssen sich irgendwo auf halbem Wege
treffen…
Desweiteren werden die Unternehmen unter zunehmendem Druck
weitere Entwicklungsschritte unternehmen, um das begrenzte Angebot an
qualifizierten Kandidaten zu erhöhen. Bisher war das Bemühen deutscher
Arbeitgeber um Beschäftigte aus dem europäischen Ausland mäßig, die Personaleinstellungen
nehmen aber mittlerweile zu, ebenso wie das Markteintrittsinteresse von
Arbeitnehmern insbesondere aus dem südeuropäischen Raum, wo aufgrund der
Arbeitsmarktlage die Mobilität der Arbeitnehmer stark zunimmt. Siehe:
Öffnen sich deutsche Unternehmen zunehmend dem europäischen
Arbeitsmarkt und verringern sie hier die Eintrittsbarrieren über eine
„Internationalisierung von Firmenkulturen“, z.B. Englisch als (Mit-)
Firmensprache – was eine Einstellung von europäischen Arbeitskräften auch VOR
Erwerb von Deutschkenntnissen möglich machen würde –einer meiner großen
Mandanten hat diesen Schritt bereits vollzogen- ergibt sich hier
schnell eine neue Konkurrenzsituation für deutsche Arbeitnehmer, die
bekanntlich den Markt schnell beleben wird.
Alles in allem, eine spannende Entwicklung, die sich hier
vollziehen wird, wobei die Chancen zu positiver Veränderung sowohl auf Seiten
der Arbeitnehmer als auch auf Seiten der Arbeitgeber liegen. Es gilt, die sich
bietenden Chancen zu nutzen und „in Windmühlen zu investieren“.
(Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern
und die anderen Windmühlen. –chinesisches Sprichwort)